Ein altes Schwarz-Weiß-Foto von einem Schnellboot, das in der Nähe eines großen Casinos am Meer in Monaco um die Wette fährt und an dessen Rumpf Wellen plätschern.
Pionier des Verkehrs

Von Daniel Charles*
Bis 1925 war in Graubünden jeder Tag autofrei, denn Automobile waren dort verboten. In anderen Kantonen dagegen galt lediglich sonntags ein Fahrverbot. Ausländische Automobilclubs empfahlen, die Schweiz zu meiden, deren Autophobie fast so bekannt war wie ihre Uhren und ihre Schokolade. Der Siegeszug des Automobils in der Schweiz ist einzig und allein einem Mann zu verdanken – dem Genfer Jules Mégevet (1874-1932). Er trug dazu bei, die Verkehrsregeln kantonsübergreifend zu harmonisieren (ab 1904), und rief 1905 den Genfer Auto-Salon ins Leben. Ab 1907 zeichnete er für die Motorisierung der Schweizer Armee verantwortlich und leitete neun Jahre lang, d. h. von 1916-1925, den Automobil Club der Schweiz. Bis zum Ersten Weltkrieg lieferte er rund 40% der Kühler aller in Europa gebauten Autos. Und bis zur kürzlichen Erscheinung des Buchs «L’Entreprenant Monsieur Mégevet» war er vollständig in Vergessenheit geraten.

Die Geschichte des Verkehrs
Jules Mégevet war auch ein Pionier des Motorbootsports, fuhr mit seinen Rennbooten zahlreiche Siege ein und stellte fünf Weltrekorde auf. In Corsier-Port im Kanton Genf baute er eine Werft auf, die von einem Eigentümer zum nächsten immer grösser wurde. 2018 wandelten die Teilhaber ihre Werft in eine Stiftung um und baten mich, über den wenig bekannten Gründer eine Broschüre zu verfassen. Dass sich dieses Büchlein schliesslich als ein 2.5 kg schweres, 288 Seiten und 418 Abbildungen umfassendes Werk entpuppen sollte, konnte damals niemand ahnen.
Eigentlich wollte ich nur die historischen Highlights des Bootssports durchstreifen, mit dem ich mich seit 40 Jahren befasste. Doch dann geriet ich bei meinen Recherchen in den Bann der Verkehrsgeschichte – von der Entstehung der Automobilität bis zu den ersten Gehversuchen des Individualverkehrs. Das vermeintlich Unwesentliche erwies sich als unerwartet vielseitig und förderte neue Facetten zutage, die diesen bedeutenden historischen Wendepunkt aufzeigten, veranschaulichten und nachvollziehbar machten. In zwei kurzen weltverändernden Jahrzehnten entstanden maschinengetriebene individuelle Transportmittel wie Motorräder, Autos, Boote und Flugzeuge.

Bilderbuchlaufbahn
Jules Mégevet liefert den idealen Ausgangspunkt für diese historische Erkundung, denn der leutselige, höfliche und dynamische Mann war ein Hansdampf in allen Gassen und der erste Networker der Geschichte. Was er anstrebte, welchen Schwierigkeiten und Sachzwängen er ausgesetzt war, offenbart einen aufschlussreichen Blick auf ein Umfeld, der sich nicht böte, wenn (beispielsweise) die ausserordentliche Lebensgeschichte von Henry Ford im fernen Amerika dokumentiert würde. Auch wenn Mégevet weder besonders bedeutend noch besonders reich war, lässt sich sein einzigartiger Werdegang nicht mal mit Superlativen beschreiben.

Abenteuerlust
Die Stationen seines Lebens akkurat aufzuzeichnen, glich der Suche nach der Nadel im Heuhaufen und verschlang sämtliche Mittel der jungen Fondation Mais-Je-Vais-Piquer 1909. Der Name der Stiftung – im Übrigen ebenfalls der Name der Rennboote des Genfers – geht auf ein Wortspiel aus Mégevet und Picker, einem Konstrukteur von Bootskörpern und Motoren, zurück. Bis in einem Container in den Katakomben eines Parkhauses in Monaco endlich einzelne Bilder auf Glas aufgespürt wurden, sollte es 15 Monate dauern. Zehn Monate vergingen bei der Suche nach spektakulären Aufnahmen der Rennen in Evian und nochmals zwei für die Rekonstruktion der Formen der Boote Mais-Je-Vais-Piquer I, II, und X. Bisweilen war die wochenlange Spurensuche aber auch vergeblich und lief ins Leere. Ein Mammutprojekt!
Fortgesetzt wird die Reihe mit einem Werk über andere pfiffige Genfer Helden einer vergessenen industriellen Epoche – namentlich die illustre Familie Dufaux, von der mehrere Transportmittel wie Motorräder, Autos und Flugzeuge im Luzerner Verkehrshaus ausgestellt sind.

 

Ein solarbetriebenes Fahrzeug im M&Ms-Look.
Zwei Zahnradbahnen stehen schräg nebeneinander, dazwischen führt eine Treppe hoch. Davor ist eine Holzbank und zwei Bildschirme zu sehen.
Pitstop Challenge mit Elias Hountondji.
Das Verkehrshaus der Schweiz feiert seine Eröffnung mit einer grossen Menschenmenge und Luftballons.
Ein altes Schwarz-Weiß-Foto von einem Schnellboot, das in der Nähe eines großen Casinos am Meer in Monaco um die Wette fährt und an dessen Rumpf Wellen plätschern.
Titelblattillustration von „Reisen durch Süd-Amerika“ von W. von Tschudi, die einen Reisenden zu Pferd inmitten tropischer Flora zeigt.
Ein rot-goldenes Custom-Motorrad, das auf einem Schotterplatz geparkt ist, präsentiert sich mit schnittigem Design und modernen Merkmalen unter einem klaren blauen Himmel.
Drei Personen arbeiten an Schreibtischen mit mehreren Computermonitoren in einem modernen, von Tageslicht erhellten Büro.
Eine Reihe alter Feuerwehrfahrzeuge mit den Nummern 21, 22 und 23, deren Uniformierte auf dem Rollfeld stramm stehen.
Eine Flugbegleiterin in Uniform hält ein Tablett mit einer Flasche und einem Glas in der Hand, während sie an der offenen Tür eines alten Swissair-Flugzeugs steht.
Das Innere einer großen Ausstellungshalle mit Holzbalken, von der Decke hängenden Fahnen und verschiedenen Auslagen und Karren.